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Aus »Lob des Knasters. Satyrspiel«.   Vers 65974 bis 66093

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Antiquar, Anwalt.

ANWALT: Na, lieber Joseph, immer sehr zum Wohle,
Sind Umsatz und Gewinn wie immer prächtig?
Dem Anwalt sagst, daß ihn der Teufel hole,
Du aber bist Vertreterpakts verdächtig.

ANTIQUAR: Du bist in einem Umfeld aufgewachsen,
Da Bücher noch begehrt und voller Adel,
Heut heißts, man bricht sich an dem Zeug die Hachsen,
Grad wieder gabs für meine Praxis Tadel.

ANWALT: So, Tadel, so. Den Tadel spricht der Neider,
Ich wüßte kein Geschäft im ganzen Gaue,
Wenn man so selten kriegt die Antwort: leider!
Und der Empfehlung ich auch blind vertraue.

ANTIQUAR: Du kündest als Relikt aus Mangelzeiten,
Ja, das Fossil ist treffender Metapher,
Heut tätowiert man sich die Rückenbreiten
Und jagt den Puls mit der Musik der Kaffer.
Hingegen wird, was einst uns gab Behagen,
Verteufelt und es bleibt nur untertauchen,
Daß es dir geh an Ehr und an den Kragen,
Genügt es schon, sein Pfeifchen still zu rauchen.

ANWALT: Mei, Joseph, gehn wir hinter in die Kammer,
Es schwätzt sich besser beim gemeßnen Paffen,
Verzage nicht am öffentlichen Jammer,
Denn unsereins hat damit nichts zu schaffen.
(Sie gehen ein paar Stufen hoch und nehmen in Sesseln Platz. Pfeifen werden gestopft und zunächst schweigend geraucht.)

ANTIQUAR: Wie friedlich ists, die Bücher sind nicht böse,
Auch wenn die Geister drin recht häufig fiese,
Wenn ich mich von der Kundentheke löse,
So bin ich gleich in meinem Paradiese.

ANWALT: Man muß in allem stets das Beste sehen,
Auch die Verfemung unsrer blauen Nebel,
Kommt uns nicht nur als Abendrot zu stehen,
Nach allen Winden weist des Palmbaums Wedel.
So sah ich jüngst recht spärlich nur bekleidet
Ein Mädchen rauchend stehn am Straßenrande,
Und daß die Arme Winterskälte leidet,
Schien ärger als des Eigennutzes Schande.
Das Tanzlokal hatt sie hinausgestoßen,
Kein Kavalier, der teilte diese Feme,
Da brauchte es der Gesten keine großen,
Daß sie sich meinem Mannesschutz bequeme.
Ein wollner Mantel, der im Wagen döste,
Ward rasch der kleinen Göttin umgehangen,
Und was sie von dem Schneegestieb erlöste,
Hat sie sofort in Dankbarkeit gefangen.
Sie baute mir auch gleich die nächste Brücke,
Es sei da drinnen laut und auch recht teuer,
Und, recht verblüfft vom unverhofften Glücke,
Schlang ich den Mantel enger mit dem Feuer
Der Rede, daß ein guter Rotwein schmachtet
Zuhause, wo sich seltne Platten türmen,
Und der Kamin, wo man das Holz betrachtet,
Macht zur Musik das winterliche Stürmen.
Kurzum, sie stieg schon rasch in meinen Wagen,
Und über alles weitre schweigt der Kenner,
Das Rauchverbot hat sie mir zugetragen,
Sagt mir der Fabel allergrößter Nenner.

ANTIQUAR: Ja, die Apartheid für die Tabaktreue,
Hat was für sich, so ist auf den Empfängen
Nur dort was los, wo Öffentlichkeitsscheue
Sich mit dem dichten Rauch zusammendrängen.
Schon mancher, dem das eklig und erbärmlich,
Verpaßte das Geschäft des ganzen Jahres,
Das große Los bekleidet sich oft ärmlich,
Man weiß, der größte Dreck bevorzugt Bares.
Auch muß, wer bahnfährt, unbedingt erfahren,
Das Raucherviereck ist so schmal bemessen,
Der Nacken dient nicht nur den eignen Haaren,
Ein Tolpatsch läßt den Zufall sagen, wessen.
Und wer nicht schwul, wird eine Holde finden
Und spüren auch den Muskel des Gesäßes,
Auch darf die Bluse seine Augen schinden,
Nur ein debiler Tattergreis vergäß es.
Hier wird Frottierer, wer ansonsten scheuer
Sich setzt an einen Tisch, der unbegastet,
Darum bekennt ein Ehemann, ein treuer,
Daß Amor auf den Reisen niemals fastet.
Da wiegts gering, daß man im Gelb der Juden
Begrenzt wird und zur Schau gestellt als Laster,
Hier ist mehr los als an den Fastfood-Buden,
Und dies verdankst du alles bloß dem Knaster.

ANWALT: Sei achtsam mit verbotnen Parallelen,
Der gelbe Stern ist nichts für den Poeten,
Sonst heißts, er wolle Ärgeres verhehlen,
Zumindest wird zur Kasse er gebeten.

ANTIQUAR: Gerichtet sei die Klage und das Richten,
Nur wo es stinkt, ist Polizey zugange,
Und eh wir unser Stück zuende dichten,
Ists draußen offenbar, und zwar schon lange.

ANWALT: Red lieber weiter von den schönen Frauen,
Der Autor hat ein Lustspiel uns befohlen.
Ob anzurühren oder anzuschauen,
Kein Anekdötchen werde mir verhohlen.

ANTIQUAR: Nun ja, die Zeiten wollen nichts verschonen,
Das Gleichmaß prägt sich aus an allen Orten,
So sind auch bald die Fraun, die ringsum wohnen
Gleichförmig wie die Zigarrettensorten.
Daß eine ein Geheimnis weiß zu tragen,
Daß man riskier Jahrzehnte Alimente,
Ist heute nur im Ausnahmsfall zu sagen,
Ich denk, das sind doch höchstens zwei Prozente.

ANWALT: Ich bitte dich, mein Joseph, bei Millionen
Sind zwei Prozent noch immer eine Menge,
Daß beim Versuche, ihnen beizuwohnen,
Uns allenfalls erstickte das Gedränge.

ANTIQUAR: Ich bleib dabei, die Vorred der Mechthilde
Hat sich gewaltig in der Zeit vergriffen,
Mir schiens, sie suchte sich mit Ihrem Schilde
Grad eben nach Ostindien einzuschiffen.
Ehr für ein Stück, das in Napoleons Kriegen
Sich austobt, scheint die Rede angemessen,
Daß Takt und Degen heut im Streite liegen,
Meint Blindheit wie auch sonstige Noblessen.

ANWALT: Wer weiß, was uns noch blüht, obs einst uns dämmert,
Daß diese Jahre noch die toleranten?
Vielleicht wird schon am Gitterkreuz gehämmert,
Das übertrifft die Horrorfabrikanten?

ANTIQUAR: Nicht wieder Pessimismus, meine Pfeife
Will neu gestopft sein, das sind die Probleme,
Legt mir der Henker um den Hals die Schleife,
Erinnre ich mich an das Angenehme.