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Aus »Lob des Knasters. Satyrspiel«. Vers 65846 bis 65885 PROLOG Die heilige Nicotiana, eine nicht mehr ganz junge Frau im weißen Brautkleid, tritt mit einer übermannsgroßen Zigarre auf, die sie zärtlich umschlingt. NICOTIANA: Ich bin ein Werk der Gräfin, der Mechthilde Lichnowski, die in Niederbayern schmauchte, Ich gleiche ihr an Frömmigkeit und Milde Und diene jedem, der mich tröstend brauchte. Ich heil Neurosen rasch in Hirn und Hüften, Bin Zuflucht jedem, der da matt und müde, Ich walle durch den Saal mit Wonnedüften, Und banne alles Schimpfliche und Rüde, Ich zünde lieblich und ich glimme leise, Ich bin die Königin von allen Wonnen, Dem Äther in die Erdenschwere Schneise Und gegen Kleinmut stets ein Wunderbronnen. Ich banne Trauer und die Langeweile, Die Zappelei und Alltags Teufeleien, Freigiebig bin ich mit dem höchsten Heile Und lasse jede Sünderin gedeihen. Wie jeder Kult ist meiner auch umstritten, Es gibt nichts Großes, das nicht Feinde hätte, Es gibt Verweigrer, die da höflich bitten, Und ärgre legen Raucher an die Kette. Dies wird wohl bin zum Jüngsten Tage so gehen, Mit jedem Gut schafft sich zugleich der Neider, So manche Zeiten kommt dies schwer zu stehen, Und wer darein geboren, sagt, ja leider. Vorbei die Zeit, wo man im ärgsten Streite Noch Stil besaß und abgestumpfte Waffen, Und lieber Pfeifen zündelte als Scheite, Und Abstinenz war Privileg der Pfaffen. Als Teufelswerk gelt ich noch mehr als Luther, Drum darf ich mich auch Reformator nennen, Denn den Indianern war die große Mutter Stets nah, wenn braune Tabakblätter brennen. Von ihnen hab ich meinen Hang zum Frieden, Den wir im Krieg aus tiefster Seel erhoffen, Drum ward mir höchster Zuspruch dann beschieden, Wenn Heere zogen und die Mauern offen. Ich sage jedem, der mich ganz verachtet, Und mein dies gar nicht böse und betreten: Wer weiß, ob er nicht einst noch nach mir trachtet Und nach mir ruft mit brünstigen Gebeten. |