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Aus »Der arme Heinrich. Miraculum«.   Vers 60057 bis 60132

PROLOG


BURKHARD: Der Autor dieser Mär von Gottes Gnade
Fands gut, zuerst Gebrechen zu kredenzen,
Blutunterlaufen schmerzt mich meine Wade
Und nur die Vögel singen mir von Lenzen.
Oft geht die Red, der Sprung, der löwengleiche,
Führ gradenwegs zur Ruh als Bettvorleger,
Und zeigt der Morgenspiegel eine Leiche,
So macht mich die Verzweiflung auch nicht reger.
Ich bin ein Mann, deß Tage auf der Erde
Gezählt, es ächzt und knackt an allen Kanten,
Ich trau mich nicht mehr durch das Tor zu Pferde,
Und fast ein Toter bin ich den Verwandten.
Den Bruder wirds nicht kratzen, denn geschieden
Sind wir schon lang im Streiten um die Gaue,
Den Kirchhof hab ich lange Zeit gemieden,
Daß ich nun heut fast täglich dahin schaue.
Mein Weib ist tot, mein Sohn ist abgehauen,
Die Herrschaft ist im höchsten Maß verkommen,
Des Bruders Erben kommen schon und schauen,
Ob mich der Herr noch nicht zu sich genommen.
Ich hab gestritten jung und voller Hoffen,
Doch mit dem Sohne ließ ich meinen Erben,
Mir schien das Schicksal lange frei und offen,
Doch nun heißts einsam und vergessen sterben.
Daß er noch käm, ich mag es nicht mehr glauben,
Als er noch jung, da gab es oft Gewitter,
Er stahl sich vom Turnier in seine Lauben,
Und mehr als Lanzen liebte er die Zither.
Es ist nicht so, daß ich der Kunst Verächter,
Ich mag gern alte Weisen und Balladen,
Doch ist der Graf zuerst des Landes Wächter
Und folgt dem Falken eher als dem Raben.
Wenn sich die Jugend, statt den Zaum zu packen,
Verspielt in Grillen und in Tändeleien,
Da brauchts schon mal den harten Griff im Nacken,
Daß es nun Zeit, die Mehrerin zu freien.
Das väterliche Schelten oder Mahnen
Hat freilich ihn nicht aus dem Haus gestoßen,
Der Herrgott selbst durchkreuzte meine Bahnen
Und nahm dem Sohne alle Lust zum Großen.
Im Alter, da der Bursch zum Schürzenjäger
Allmählich wird, getrieben vom Geschlechte
Da ward ein Fluch des Unentschiednen Wäger
Und spottete der wohlgehegten Rechte.
Ein Aussatz nahm mit gelblich braunen Flecken
Dem Antlitz alles Liebliche und Helle,
Daß sich mein Sohn, sich selber größter Schrecken,
Verzogen hat ins Dämmerlicht der Ställe.
So ging das eine Zeit, bis das Gesinde
Zu witzeln anfing, eine Magd erschrocken
Ließ fallen ihren Krug und das Gebinde,
Und nur die Katz blieb unbeeindruckt hocken.
Da nahm mein Sohn die heißgeliebte Laute
Und einen härnen Beutel trockner Birnen,
Und ging davon, noch eh der Morgen graute,
Und seine Spur verlor sich in den Firnen.
Die besten Heiler hatt ich ihm gedungen,
Die Taler flossen wie vom Berg die Bäche,
Ob Kräuterhex, ob Alchymist, gelungen
War einzig und allein die fette Zeche.
Dann sprach uns aus der Sarazenen Wüste
Ein Magier, wohlbewandert in den Sternen,
Wenns eine Jungfrau mit dem Leben büßte,
Würd das Gesicht gewiß zu trocknen lernen.
Gäb sie ihr Blut zu dem erhofften Heile,
Wär selben Tags das Antlitz rein und linden,
Nun fürcht ich, ging der Tor so manche Meile,
Am Weltenend die Törin aufzufinden.
Ihr Leute mögt es schauen auf der Reise,
Derweil ich mich in meinen Mauern gräme,
Zur Neugier bin zu alt ich und zu weise,
Doch arg wärs, käm zum Unglück noch die Häme.
Wies ausgeht, werd ich wohl nicht mehr erfahren,
Ich glaubt auch ehr, es ist schon ausgegangen,
Mein einzger Reichtum ist nun der an Jahren,
Und solch ein Wrack vermag kein Glück zu fangen.