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Aus »Winterlandliebe«. Gedichte 2022   Vers 47891 bis 47962

GOETHISCH


Für Rolf Schilling

Im Winter, wo dem Licht der Himmelsboten
Nicht mehr die Türen hoch und Tore weit,
Die Dome aus dem Eichenwald der Goten
Nicht mehr begriffen, was der Milan schreit.
Doch unbemerkt von Würfeln und von Quoten,
Auflohte ein schon fast erloschnes Scheit,
Und eine erste Schwalbe wagt zu singen:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Aus Trauer um die Reiche, die verloren,
Besingt sie, was uns nachts im Traume schreckt,
Und zaubrisch gehts den Augen wie den Ohren,
Wenn Gleichklang heimelt und zuweilen neckt.
Der Argwohn meint, den täuschenden Auroren
Sei nur ein weitres Lichtlein aufgesteckt.
Doch weiter traut die Schwalbe sich zu schwingen:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Kein Sommerglück, kein heiteres Behagen,
Die Sense fiedelt Krieg und Pestilenz,
Die Pracht der Schmerzen und des Abgrunds Ragen,
Ein Hauch von Glück - und kaum gewahrt, verbrennt's.
Und donnernd bricht entzwei der Himmelswagen,
Die Schlange sonnt sich im Geflamm des Ends.
Ein Falke fliegt, eh ihn die Schwärzen schlingen:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Dann Schluß mit dem Gewitter, Eis und Starre,
Die Hüter stehn im Zwielicht vor dem Tor,
Nicht Miene oder Mund, was unser harre,
Nur Strandgut und ein morsches Schiff davor.
Ob Ostwind uns im hohlen Baume narre,
Ob tief im Weiher ein verwunschner Chor?
Wer hofft, bereifte Fahnen auszuwringen?
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Die Bühne wechselt, vor dem Bienenhause
Der Gärtner, der die Blumen leis benamt.
Rhabarber ruft Erinnerung zum Schmause,
Die Sonne sinkt ganz wundersam erlahmt.
Wer fürchtet, daß darein der Eiswind brause
Und daß ihr nackend schwändet, wie ihr kamt?
Der Abend weiß, es gelte nichts zu zwingen:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Nun sind die Pole Blumenglück und Schrecken,
Des Falters Taumeln und des Falken Stoß
In Liedern, deren Weg nicht abzustecken,
Stets nah und fern und käferklein und groß.
Nun ist der Träumer nicht mehr aufzuwecken,
Denn ungeschmälert darf das ganze Los
Vielstimmig im Konzert der Verse klingen:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Zwar viel ist alles nicht, und niemands Füße
Berufen sind zu jedem Stock und Stein,
Zu früh genug und ausgeschlagne Süße -
Im Stoppelfeld wird stets noch Nahrung sein.
Doch solch Bedenken störe nicht die Grüße
Und mach die Rühmung weder halb noch klein,
Denn über Langmut triumphiert Gelingen:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Ja, mancher dankt, und vielen unbetroffen
Sind Worte und Gesang ein leerer Wahn.
Dies sage nicht, um Besserung zu hoffen,
Der Tat ist ganzer Schmuck, daß sie getan.
Wir wissen wohl, daß jede Rechnung offen
Und niemand weiß, wer tret noch auf den Plan,
Doch richte nie das Reifen und das Ringen:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Die Rätsel sind nicht da, daß man sie löse,
Doch daß sie worthaft gelten und man staunt,
Im Gleichnis uns erscheinen Gut und Böse,
Und Weisheit spricht sich sonnenhaft gelaunt.
Drum horche, ob in all dem Wort-Getöse
Der Rabe uns den rechten Rat geraunt?
Denn wies auch sei mit all den dunklen Dingen:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.