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Aus »Winterlandliebe«. Gedichte 2022   Vers 47811 bis 47858

LEBENSHERBST


Der Herbst des Lebens sind nicht die Gelenke,
Die nicht mehr federn und geräuschlos dienen,
Nicht Fadenschein und sanftere Getränke,
Die Hügel ohne Steinschlag und Lawinen,
Ob man sich etwas antu oder schenke
Und ob die Meere einst uns weiter schienen.
Die Traurigkeit durchgoldet alle Gärten,
Wie Blätter fallen ringsum die Gefährten.

Wir mögen tausend junge Bäume pflanzen,
Sie decken nicht die Lücken und die Stümpfe:
Da lud der Birnbaum abendlich zu tanzen,
Dort zeigte einst der Storch die roten Strümpfe,
Und weiterhin am Hang die stolzen Schanzen,
Der Schlitten flog und zählte nicht die Trümpfe.
Doch viele schon, die solche Stunden teilten,
Dem Licht und seiner Heiterkeit enteilten.

Im Herbst ertönt die Glocke immer näher,
Die uns versammelt, jene zu begraben,
Die vorgesorgt grad wie der Eichelhäher
Und nun die Sorge ganz vergessen haben.
Wir wissens nicht, vielleicht sind sie auch Späher,
Und wir, gebannt in nektarschwere Waben,
Sind einzig da, ihr Schweigen zu vertreten
Und für das Heil Verschwiegener zu beten.

Die Einsicht reift, daß wir uns nur als Schatten
Begreifen können, wenn wir menschlich fühlen,
Wir hadern mit dem Los, uns zu gestatten
Zu wandeln zwischen all den leeren Stühlen.
Die Einsamkeit des Hungers wich der satten,
Und unsern Durst kann keine Quelle kühlen,
Denn was wir je begehrten, ist entstanden
Und so kam uns das Wünschen selbst abhanden.

Doch über uns hinaus ist nichts vollendet,
Und unsre Müh reicht nicht an das Empfangne,
Nicht wie die Linde hegt und Schatten spendet,
Am Ende bleibt der Neid auf das Vergangne.
Ob ihr an unsrer Spur Gefallen fändet,
Die ihr doch wißt, wir starben als Gefangne?
Das Schöpfertum ist immer nur ein Reimen,
Wir sind gepfropft und nicht befugt zu keimen.

Das ist der Herbst, wir singen das Verzagen,
Obs ehrlich sei, ob eitel? wer entscheidet,
Wenn wieder rollt und rollt der Gelbe Wagen,
Obs Winterland am Flockentanzen leidet?
Und ist es möglich recht vorherzusagen,
Wer diesen Fährten folgt und wer sie meidet?
Am Ende bleibt die große Rechnung offen,
Doch hat auch Ruhe recht nach so viel Hoffen.