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Aus »Unstrutleuchten. Erstes Buch«. Gedichte 2019 Vers 43317 bis 43530 UNSTRUTLEUCHTEN Traut und trutzig träumt die Muhme Schlingernd zwischen Kyff und Finne, Daß zu unserm Königtume Sich der Wind der Zeit besinne. Algenschuppig glänzt im Dunkel Schlick, als wenn erstickt er schriee, Und des Flusses Urgefunkel Glimmt bis Wangen wie bis Wiehe. Wo der Pilgrim rafft die Kutte, Schmeckt gewittrig süß die Birne, Dem Habit der Hagebutte Sinds am Himmel die Gestirne. Mulmig ist dem Wurm zumute, Schwelgerisch dem Butterflieger, Trug der Schuh die Spur vom Blute, Zeigt das güldne Haar den Sieger. Vor dem Blau, darin das Bunte, Sei dir Ungeschürftes lieber, Unter Ulmen fußt die Lunte, Pilzig fingernd wie ein Fieber. Was dem Unhold bloß Rotunden, Glitzerspitzen, Chrysolithe, Hat die Heimlichkeit gefunden, Daß erfüllt die Herzensbitte. Diese Wasser sind ein Schwur, Es verrottet nicht im Feuchten, Was aus der Gestaltung fuhr, Ganz im Eigenen zu leuchten. Diese Wasser sind so schwer, Daß nicht ihr Geheimnis faßte, Wer mit Mühlenrad und Wehr Sie in seine Kreise paßte. Diese Wasser weiß der Schwan Und er weiß sie auch zu singen, Doch erfunden ward kein Wahn, Ihn in eine Fron zu zwingen. Dieser Wasser dunkler Schwall Trägt im Dunst vertraute Muster, Doch in Zeiten von Verfall Bleibt der Reim ein unbewußter. Dieser Wasser heller Schwung Ist allein bestimmt dem Sänger, Der in jeder Dämmerung Sich begreift als Wiedergänger. Was Odin die raunenden Raben, Was Bienen im Stocke die Waben, Brahmanen die heilige Kuh, Ist uns, daß wir heilsam uns laben Und Hoffnung zum Widerstand haben, Die Unstrut, das fließende U. Wie Geistern des Salomo Siegel, Narkissos am Weiher der Spiegel, Dem Liebenden ewig das Du, Dient uns als die Butter im Tiegel, Dem Hause als Mörtel am Ziegel, Die Unstrut, das fließende U. Wen suchen im Dunste die Dichter? Wem brennen alleenweis Lichter? Wer nickte dem Täter, er tu? – Für Gründer, Verwalter, Vernichter, Bleibt immer derselbe Gewichter Die Unstrut, das fließende U. Wo gibt sich das Doppel im Halben? Wo müssen die Gleißner verfalben? Wo lächeln die Schatten uns zu? Wo lehrten uns Riesen und Alben Den König mit Wasser zu salben Der Unstrut, dem fließenden U? Wann war dies und warum vergangen? Hat sich die Geschichte verfangen, So blieb doch ein Erstes tabu. Die Netze, nach denen wir langen, Sind Wellen, vor denen wir bangen, Der Unstrut, die fließendes U. Womit auch der Geist uns beglückte, Und was unsre Augen entzückte, Was Flügel vermachte dem Schuh... Vernunft und das gänzlich Verrückte: Die Schalen der Waage bestückte Die Unstrut, das fließende U. Weil immer, wo deutsch man zu sprechen, Sich traut, den gerodeten Flächen Ein Heiltrunk alleine gibt Ruh, So wag dir, gilts auch als Verbrechen, Zum Preislied dich laut zu erfrechen Der Unstrut, dem fließenden U. Wenn auch deine Stunde im Sinken, Die Schnitter am Strome dir winken Und sagen, die Weisheit sei Schmu, So glaube dem wogenden Blinken Und müh dich, den Balsam zu trinken Der Unstrut, die fließendes U. In der Nacht, am Tage Und bei Lob und Klage, Treu uns bis zum Schluß, Wem zur Lust die Waage Welche Lasten trage, Leuchtet doch der Fluß. Wo nicht taugt der Flitter, Schmeckt die Kruste bitter, Hart ist jede Nuß, Durchs Gefängnisgitter Zum Gesang der Schnitter Leuchtet doch der Fluß. Gilt als Wahrheit Lüge, Wird das Lob zur Rüge Und zum Minus Plus, Daß er gleichwohl trüge Noch in fernste Flüge Leuchtet doch der Fluß. Wenn da Nadelspitzen Niedertracht verspritzen Kind und Greis als Muß, Durch die Mauerritzen Und im Waffen-Blitzen Leuchtet doch der Fluß. Wer da schaut gerechter, Wird der Lehr Verfechter, Daß aus einem Guß, Was da besser, schlechter Ausschaut, wo dem Wächter Leuchtet doch der Fluß. Grad als Leckerbissen Hat uns hingeschmissen Gottes Meisterschuß Diese Au, zu missen Nie, und dies zu wissen, Leuchtet doch der Fluß. Um mit Haut und Haaren Deutsches zu erfahren, Deutschheit omnibus, Dies zu offenbaren Und der Welt zu wahren Leuchtet doch der Fluß. Daß aus diesen Schlingen Größere gelingen, Manchem schuf Verdruß, Doch wir werden singen: Wenn wir untergingen, Leuchtet doch der Fluß. Wer von ihm umnebelt Weder marxt noch bebelt, Spürt den Dunst als Kuß, Solcher selbst geknebelt Darbt nicht ausgehebelt, Leuchtet doch der Fluß. Hier am Ufer stand der Recke, Der erfocht ein freies Land, Und die Welle wies die Strecke, Daß er guten Mutes stand. Sie vertraut mit jeder Stunde, Daß sie grüßte jeden Sohn, Doch das Urteil fiel im Schwunde, Wo die Freiheit und die Fron. Doch wenn einer sich benetzte Seine Stirne mit dem Naß, Jede Sehne sich entsetzte, Daß regieren Lug und Haß. Und sein Auge würde leuchten Wies die Unstrut tut seit je, Würde ihm das Herz befeuchten, Daß er immer weiter geh. Denn ein Mann ist nicht zu halten, Wenn er weiß, was frei und recht, Und die Hände weiß zu falten, Daß sein Glaube rein und echt. Gelobt sei dem Strome der Ahnen, Den Schichten, die Zeitalter decken, Erhört sei das Raunen und Mahnen: Wir werden uns nicht mehr verstecken. Erfahrn sei die Macht des Entschlusses, Dem Jammer sich nicht mehr zu fügen, Wir tragen die Klarheit des Flusses Und zeihen die Schwindler der Lügen. Mit Unbill und auch mit Geschenken Versucht man am Rechte zu deuteln, Doch gilts mit dem Blute zu denken Und nicht wie der Wucher mit Beuteln. Wir schlugen so furchtbare Schlachten, Doch furchtbarer sei uns das eine, Zu sehn, daß wir selber es machten, Daß kraftlos die Arme und Beine. Die Lüge glaubt nur, wer mit Lügen Verständig will umgehn im Hoffen, Sie könnten dem Segen sich fügen, Blieb man für Erfahrungen offen. Solch Irrtum erliegt, wer sich feige Dem Wahn läßt, es ginge auch leichter, Als so, daß stets Mühe sich sich zeige Am Stand, der ein mühvoll erreichter. Wie die Unstrut fließt und fließt, Ist das Reich kein Minnegarten, Wo die Frucht der Freiheit sprießt, Halme auf den Schnitter warten, Wer die Freiheit auf sich nimmt, Sucht die Schwielen selbstbestimmt. Nicht als Vorteil, Urlaub, Lohn, Wiegt Germania ihre Hüften, Nicht, daß ein verwöhnter Sohn Tut genug, den Hut zu lüften, Schafft sich die Rechtschaffenheit Aun und Höhn, die himmelweit. Schändlich ist Schmarotzerei, Schändlicher der Zwang zu betteln, Und getilgt das Laster sei, Solche Laster anzuzetteln, Doch der Faulste gelte gut, Vor der Mißgunst bösem Blut. Gottvertraun und Augenmaß Richte gegen Neid und Eifer, Was kein Mensch der Welt besaß, Macht auch unsre Welt nicht reifer, Freu dich, wenn du fruchtbar siehst, Wie die Unstrut fließt und fließt. |