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Aus »Die alte Linde. Zweites Buch«. Gedichte 2013 Vers 41533 bis 41604 BALDENHAIN Von Balders Jugendschöne Begreift man hier nicht viel, Der Hufe späte Söhne Spieln ein gar andres Spiel, Allein die alte Linde, Gezeichnet vom Geschick, Erzählt dem Frühlingswinde Noch heut von Breidablick. Zwar hat sie selbst die Asen Wie Ringhorn nicht gesehn, Doch als sie jung den Rasen Vernahm und konnt verstehn, Da wußt er, wie behende Einst Sleipnir schoß durchs Kraut, Da war die Abschiedsspende Des Draupnir noch vertraut. Dann standen rings die Mannen, Zu suchen Rat und Recht, Was sie beschirmt ersannen Im schattigen Geflecht, Das war erlauscht der Linde, Die tiefer birgt den Stand, Als Winds und Wolfs Gesinde, Das umgehn muß im Land. Und jene noch beisammen In Ehrfurcht vor dem Baum, Sie wußten, sie entstammen Des Thuiskon tiefem Traum, Sie spürten hell die Weihe, Wo Blätter rascheln lind, Und hofften, sie verzeihe, Daß sie im Kriege sind. Als ob sie Mutter trüge Wie Hunde am Genick, Entsagten sie der Lüge Und wurden weich im Blick, Sie schworen bei der Linde: Der Weisheit, die du färbst, Ist jedes Gold im Spinde Nur Laub im späten Herbst. Doch sprachen sie am Feuer, Darin ein Lindenstamm, Vom Fenris-Ungeheuer Mit Stimmen, rauh und klamm, Es wende sich das Ruder, Daß es den Hamm bepflöck, Wenn Balder mit dem Bruder Herkäm nach Ragnarök. Wie auch der Himmel flammte, Das Schwert dem Bösen stritt, Den Grimm im Rächeramte Das falsche Ziel erlitt. Wie Wunden man verbinde Verlernten sie im Stolz, Und so den Duft der Linde, Und so ihr Balder-Holz. Statt Frieden kam Erliegen Und Staub und Müdigkeit, Die Sehnsucht nach den Siegen Schien Quelle bloß für Leid, Sie kehrten nicht zum Baume, Zu suchen Recht und Rat, Sie fluchten ihrem Traume, Sie fluchten jeder Tat. Jedoch verspricht dem Winter Der Baum von Rat und Recht Nicht Schnee allein, dahinter Will knospen ein Geschlecht, Auf daß der Nebel schwinde Als Mär im Maienschein, Und neu umtanz die Linde Das Volk von Baldenhain. |