|
Aus »Die alte Linde. Zweites Buch«. Gedichte 2013 Vers 42141 bis 42188 DIE KUNIGUNDENLINDE Kein Lindenbaum in Franken Hat so viel zu erzählen, Wo sich die Sagen ranken, Mit List nicht abzuschälen. Von Stangen hochgehalten, Daß sie sich mähl dem Winde, Grünt aus dem Reich, dem alten, Die Kunigundenlinde. Sie brachte manches Opfer An Stamm und Astgetummel, Doch wie ein Selberpfropfer Scheint Biene sie und Hummel. Nichts blieb im Wandel treuer, So arg man sie auch schinde: Es ging durchs Fegefeuer Die Kunigundenlinde. Vom Tanzen und vom Tändeln, Und wie man Gerten flechte, Weiß sie, doch auch von Händeln Und viel vom Schrannenrechte. Es weiß, wie man sich streite Und wie man sich verbinde, Von Flinkheit und von Breite Die Kunigundenlinde. Die Wülste und die Narben Vom Schrecken und vom Scherze Mehr Bildlichkeit erwarben Als alle Druckerschwärze. Doch wie zumeist bei Gnomen Verhält sichs bei der Rinde: Es spricht in Palindromen Die Kunigundenlinde. Wir, Vogelgeistern näher, Wir flöten klug und brünstig, Ihr aber taugt kein Späher, Ob grad die Sterne günstig. Es läßt Geschlechter gehen Wie törichtes Gesinde, Als gälte nur Bestehen, Die Kunigundenlinde. Wenn einmal kurz sie stutzte Im Wurzeln und im Wiegen, Dann nicht, weil abgenutzte Beteuerungen fliegen. Den Kern der Jahresringe Küßt einer nur, der Blinde, Der stumm ward, daß da singe Die Kunigundenlinde. |