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Aus »Die alte Linde. Erstes Buch«. Gedichte 2012   Vers 40058 bis 40129

IM LINDENSCHATTEN


Die Mutter aller Tändelei,
Die Kupplerin mit grünem Dach,
Sie hält den ganzen Sommer frei
Ein duftgehülltes Schlafgemach.
Den Ort der Einkehr sie erfand,
Drum macht dies Wort die Wünsche kund,
Daß man sich gebe Aug und Hand
Und etwas später auch den Mund.

Ein Kuß ist lind, und ist er fest,
Bleibt er doch weich wie Lindenbast,
Und lind die Luft in diesem Nest,
Die stets verabscheut Lärm und Hast.
Hier ist man heimlich, doch nicht fremd,
Hier ist es traulich, doch nicht drög,
Der Liebende fänd nie ein Hemd,
Das reiflicher den Reif erwög.

Von Minne spricht man oft und gern
Im Lob, im Kummer und gemischt,
Die Linde ist dann niemals fern,
Die auch so lind die Tränen wischt.
Sie wird recht oft am Stamm verziert
Mit einem Bilde ihres Blatts,
Nur jener, der sein Herz verliert,
Der weiß recht eigentlich, er hats.

Der Spötter sieht in Lieb und Lust
Nur Bocksgetu und Eselei
All das was du gewinnen mußt,
Viel billiger zu haben sei.
Auch solchen gäb die Linde Huld,
Denn sie vertreibt den Lästergeist,
Und überspannt er die Geduld,
Schon mal die Bö das Dach zerreißt.

Dann blendet ihn der Sonnenschein,
Da merkt der Tumbeste, wie schwach
Er sprach, und sollts genug nicht sein,
Den Rest ein Eimer Wasser mach.
Wo solche Dinge sind zur Hand,
Ists weit noch hin zum Jüngsten Tag,
Und steht die Linde auf dem Land,
Dann weil sie diese Sprache mag.

Der Dichter freilich gibt sich fein
Auch jenen, die ihm grob und gram,
Er wird die Argumente reihn,
Wo Bauern wählen Stock und Scham,
Daß Lieb Brimborium und Gefühl,
Versteh er nicht in seiner Eil?
Die Maus frißt Korn auch ohne Mühl,
Setz auf den Klotz ich meinen Keil.

Kultur ist nicht Theaterspiel,
Auch keine Frucht, die fein geschält,
Doch Wissen, daß man viel zu viel
Begradigt, wo der Umweg zählt,
Weil die Verkürzung teuflisch trügt
Und sich das Ausgelaßne rächt,
Drum gehts dem Kerl, der sich belügt,
Im Alter und der Fremde schlecht.

Und wer durchs Leben rast und rennt,
Dem wird bald alles fremd und alt,
Er tut, als ob der Hintern brennt
Und irgendwo gäbs Ruh und Halt,
Doch solches kommt zu keiner Zeit,
Lag es nicht schon im ersten Kuß,
Drum steht die Lindenherrlichkeit
Am Anfang stets und nie am Schluß.

Wer freilich früh das Lindendach
Genossen hat und auch vermißt,
In dem wirds immer wieder wach,
Weil es ihm eigen worden ist.
Und wer dem Lindenschatten traut,
Ist sicher, wie der Weg auch geht:
Er hat sich zwar kein Schloß gebaut,
Doch weiß er stets, wo eines steht.