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Aus »Schnitterfest«. Gedichte 2011   Vers 38063 bis 38134

TURMKNOPF DER KIRCHE


Wer golden den grimmigen Wettern
Zum Trotze in Himmel sich reckt,
Wen weder das blitzende Schmettern,
Noch wolkige Einsamkeit schreckt,
Wem Mitgift, was manchen Geschlechtern
War Sorge und Glück in der Welt,
Ist Führer den übrigen Wächtern,
Krönt magisch den Turm und das Feld.

Wir kamen, der Zeit zu entwinden
Die Botschaft, das schüttre Gefäß,
Und Spätere sollen hier finden,
Was unserer Stunde gemäß –
Wer hoch überm Hause der Bitten
Grad wie eine Spange den Schopf
Bedacht, was der Herr uns erlitten,
Ist mehr als ein einfacher Knopf.

Der Turmknopf war stets der Gemeinde
Ein Postmann Jahrhunderte-hin,
Wir haben Vergessen zum Feinde,
Wir schreiben nach draußen wie drin,
Doch während sonst Obrigkeit Schriften
Bewertet, was Schul und was Schaum,
Gelingts ihm, das Bild zu entgiften,
Durchloht er die Zeit wie den Raum.

Wir fanden die Zeitung der Ahnen,
Die Liste der Spender fürs Gold,
Die Nöte, die schrecken und mahnen,
Den Ernst, der der Kirche gezollt,
Wir fanden beschämt uns als Erben
Der Pflicht, der sich Treue gesellt –
Doch er, wenn wir alle einst sterben,
Krönt magisch den Turm und das Feld.

Wo einst uns die Taufe verbunden,
Wo froh wir der Ernte gedacht,
Wo spürend des Heilandes Wunden
Wir feiern das Mahl vor der Nacht,
Dort binden sich Himmel und Erde,
Vereinen sich Glieder und Kopf –
Wer drüber mit sanfter Gebärde,
Ist mehr als einfacher Knopf.

Er strahlt, doch im hellen Metalle
Ist dunkel bewahrt unser Blut,
Dem Mensch ist bestimmt, daß er falle,
Doch steht er in ewiger Hut.
Und was wir im Feuer vergolden,
Fällt nicht wie der Apfel vom Baum,
Dem Leide geweiht wie dem Holden,
Durchloht er die Zeit wie den Raum.

Er schweigt, doch er wird wieder sprechen,
Gerecht und der Lüge nicht feil,
Von Leistungen und von Gebrechen,
Von Fall und Vertrauen aufs Heil,
Vergänglich sind eitle Geschmäcker,
Gewänder und Wägen und Geld –
Doch er, der dem Morgenrot Wecker,
Krönt magisch den Turm und das Feld.

Wir maßen uns still am Vergangnen
Und demütig reihn wir uns ein,
Wir künden im Buch vom Empfangnen,
So soll es auch weiterhin sein,
Wer hell eine kindliche Strähne
Vereint mit dem ältesten Zopf,
Wer starr wie das Haupt der Fontäne,
Ist mehr als einfacher Knopf.

Die Botschaft, im Knopfe entriegelt,
Zu deuten, manch Winter uns komm,
Nun ist eine weitre versiegelt –
Wer weiß, welchem Schlusse sie fromm?
Ob uns noch die Kirche die Mitte,
Erbarmen der innigste Traum? –
Als leises Gebet und als Bitte
Durchloht er die Zeit wie den Raum.