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Aus »Kursachsenspiegel«. Gedichte 2010   Vers 37807 bis 37926

DRESDNER ZWINGER


I

Was auch hinab die Elbe floß,
Was auch in Dresden je geschieht,
Ich denk stets, wie in Phosphoros
Man Flüchtlinge aus Breslau briet.

Behördlich angewiesen ward,
Daß man die Opferzahlen senkt,
Ich sag dazu in meiner Art:
Ein Schelm, der Arges dabei denkt.

Doch weil ich mein, der Schreckenstag
Wird Meister finden noch und noch,
Will ich vertiefen nicht die Klag
Und ausmaln nicht das schwarze Loch.

Wo offenbar Motiv und Tat,
Brauts nicht Prozeß und keinen Reim,
Vielleicht gibt uns die Zukunft Rat,
Und Gott führt die Verlornen heim...


II

Was Dresden ausmacht und Barock,
In einem Scheibensplitter zeig,
Ob dich auch größte Fülle lock,
Nur einem Stück das Auge neig.

Man pöne dies als ungerecht
Und schimpflich mancher großen Zeit,
Doch sieht das Dichterauge schlecht,
Ists nicht durchloht von Heiterkeit.

Hier eine Scharte, dort ein Leck!
Der criticus Versäumtes nennt.
Doch auch wer schreibt für Paperback,
Hat irgendwo ein Kontingent.


III

Der Zwinger zeigt, wie sonst kein Haus im Lande,
Den deutschen Mann als Horter und Erhalter,
Die hellen Blöcke aus dem Elbsteinsande,
Verfielen schon nach einem Menschenalter.

Die Konzeption war groß und nicht zu halten,
Was später kam, war schon in anderm Stile,
Manch einer träumte, frisch und frei zu schalten,
Doch seine Gegner waren viel zu viele.

Bei Kirchen war die Proportion der Größe
Zur Nutzung wohl vom Praxissinn geleitet,
Jedoch erpicht auf Pomp und auf Getöse,
Fragt nicht der Fürst, wie oft er dies durchschreitet.

Auch war der Wunsch, gemütlich dort zu hausen,
Verderblich für die Luft mit Schwefelgasen,
Derweil die Herrschaft und die Diener schmausen,
Fällt Säure auf die Mauern wie den Rasen.

Man kann sich eines Eindrucks nicht erwehren,
Das ganze sei wie heut die Olympiade,
Man orientiert sich an den größten Ehren,
Und daß mans wegschmeiß, ist es dann zu schade.


IV

Was absolut sich setzte im Barocke,
War fern dem einstgen Dienste und dem Lehen,
Hier rief den Hof nicht mehr die Bronzeglocke,
Die Demut und Erlösung zu erflehen.

Man schuf Gebäude nicht mehr um zu beten,
Lustwandel heißt, daß anderswo die Sklaven,
Auch militärisch Rechte zu vertreten,
Taugt nicht, daß Nymphen unterm Springborn schlafen.

Das Ringsumher ist auch kein Klostergarten,
Der mehr erbringt, als seine Heger zehren,
Es ist gemacht, den Zuschuß abzuwarten,
Den Untertanen fern und nah entbehren.

Man pönt mich Geizhals oder Pfennigfuchser,
Es müsse in Welt auch Höhres geben,
Nur freilich brächt ich leisest nicht den Muchser,
Wärs da, den Geist und die Moral zu heben.


V

Die Leichtigkeit, das Spiel der Ornamente –
Wie haben es geschafft, so sagt man frisch,
Was uns von dunklen Zeiten sicher trennte,
Ist Aufgeklärtheit, die uns deckt den Tisch.

Nun hat man freilich nie noch Aberglauben
Dienstbar erlebt, daß er den Staat ernähre,
Selbst feinste Damen mit Burgunderhauben,
Sie wußten, weit ists nicht zu Charons Fähre.

Erst als man sich Perücken gab und Puder,
Stolzierte man, als wärs auf dem Parnasse,
Die Zeit war nicht wie einst ein geiles Luder,
Und in der Karte gab es sechzehn Asse.


VI

Das Königtum in Sachsen ist Rebellen
Geschuldet, einem furchtbaren Gemetzel.
So fangen an die Ordnungen, die hellen!
Dagegen ist ein Engelsknab selbst Tetzel.

Der Kurfürst war nicht mehr bereit zu küren,
Dies nannte er ein Glück für die Karriere,
Im Volk ist nicht mehr Heiligkeit zu spüren,
Der Folgen wegen keiner sich beschwere!

Wenn aber nicht mehr Gott vergibt die Kronen,
So ist der Prunk darum die reinste Schande,
Drum sag ich euch, die heut im Schlosse wohnen,
Es ist im Grund ganz die gleiche Bande.


VII

Der Zwinger zwingt nicht, weder uns noch andre,
Er zwingt sich nicht mal selber zu bestehen,
Solang ich durchs Geneck der Putten wandre,
Ich kann die Größe dieses Reichs nicht sehen.

Kunstfertigkeit mit Hang zum Folgenlosen,
Ein Schmuck des Daseins und ein Trost dem Sünder,
Da bin ich bei den Flechten und den Moosen,
Die auf dem Steine Kolonien-Gründer.

Denn dieser Glanz ist tot wie sein Gebieter,
Und niemals wird erstehn uns dieser Adel,
Das Eingeständnis des Gebrechens flieht er,
Aus Lügen wächst dann alles, was ich tadel.

Der echte Führer führt das Volk aus Wüsten
Aus Spieglungen der Luft und aus der Rache,
Es bleibt der tiefste Lichtblick jedes Mysten,
Daß nur im Herrn ich frei mich selber mache.


VIII

Der Zwinger litt gar bitterlich im Kriege,
Und deutscher Fleiß hat erneut erhoben,
Mit diesem Fleiß wärn möglich andre Siege,
Doch reichts dem Volk, die Freiheit laut zu loben.

Sie ist mit keinem Staatsakt zu erzwingen,
Nicht durch Gewalt und auch nicht durch Palaver,
Doch jede Runde ruht auf ältern Ringen,
Zu Weizen wird in tausend Jahrn kein Hafer.

Wer heute schafft, daß seine Enkel spüren,
Nicht der Verbrauch und Unrat ist das Erbe,
Den wird auch Gott zu der Erkenntnis führen,
Das größte ist, daß man in Frieden sterbe.

Verehrung aber frommt nicht unsern Schätzen,
Den Mensch verehrt die Folge der Geschlechter,
Nur Gott allein ist Ruhm und Ehr zu setzen,
Sein Frieden nur ist ewig ein gerechter.