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Aus »Rhön und Rennsteig«. Gedichte 2007   Vers 22766 bis 22829

BEI STÜTZERBACH


Wo der Tau der Morgenröten
Trifft der Ilme Sprudelgeist,
Denkts im Quellengrunde Goethen,
Der so häufig hergereist.

Goethe sei nicht akzeptabel,
Mancher seinen Neid verbrämt,
Weil Fortuna dem spendabel,
Der sich dessen nie geschämt.

Lange-Eichbaum meint dagegen,
Hypochonder und nervös,
Seine Erben Hirntod pflegen
Oder saufen doppelt bös.

Wein und Fressen ohne Maße,
Angst und Lebensüberdruß,
Arroganz für Zeit und Straße,
Exzessiver Faungenuß.

Mutters Leichtsinn, Grübeln Vaters,
Mischen sich zu Sucht und Wahn,
Und das Zeugnis des Psychiaters
Nennt den Sammler kleptoman.

Wie so oft, wird im Befunde
Nur das Ziel des Forschers klar,
Wo die Welt aus Schlamm, im Grunde
Goethe auch ein Schmutzfink war.

Ähnlich stehts im Gegenteile,
Häuft der Deutsche Glorienschein
Goethen, soll von diesem Heile
Auch ein Stück den Landsmann weihn.

Zwischen Huldigung und Häme
Findet sich nicht leicht Balance,
Wen das Werk wohl ehr beschäme:
Der es nie las oder ganz?

Früh genoß ich erste Reime,
Die ich zart und lieblich fand,
Doch das Mädchen sagt, ich schleime,
Als ich solche Muster wand.

Dann sprach mir der Unerschrockne
In der Seefahrt Mannesstolz,
Daß der Wind die Wunden trockne,
Sah ich ihn an Rahmasts Holz.

Später war der trunkne Falter
Den der Flamme Licht verbrennt,
Mir das Aug in Blust und Alter,
Das zu gut die Sehnsucht kennt.

Heute folg ich leis Pandoren
Ins Poussinsche Bühnenbild,
Wos die Schöne Kamm-geschoren
Gnadenlos zu scheiden gilt.

So hab ich den Reimgewandten
Oft zur Zwiesprach buchstabiert,
Dunkles spürt im Anerkannten,
Wer sich nicht vor Dunklem ziert.

Mit den Jahren werden schwerer,
Ruhm und Sorg, sogar der Dank,
Mich ermüdet der Verehrer
Wie der Arzt, dem alles krank.

Drum will ich von Goethen schweigen,
Von der Verskunst, die betört,
Meins und seins wird stets nur zeigen,
Was der Sprache ganz gehört.

Ob der Dichter Lorbeer fände,
Fragt sich bloß ein eitler Mief,
Was die Stimme lehrt die Hände,
Schwebt seit je auf Wassern tief.