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Aus »Rhön und Rennsteig«. Gedichte 2007 Vers 22572 bis 22611 VENEZIANERSTEIN Der Hirt von Brotterode war Ein schlichter Mann mit Jung und Knecht, Ihm war für seine Rinder-Schar Die Kuhhald an dem Käsberg recht. Er wußte nicht, daß dort im Berg Erzmänner schürfen früh und spät, Und auch nicht, daß bei diesem Werk Ein Fluch sehr auf die Nerven geht. Am Brunnen ward die Mulle frisch, Der Kober Brot und Käse brockt, Der Hunger macht zum schönsten Tisch Den Steinblock, wo das Frühstück lockt. Doch plötzlich wirbelt Staub und Sand Die Böe zu des Hirten Zorn, Der Stärkungstrunk wird da zuschand, Das Messer wirft der Hirt nach vorn. Kreuzdonnerwetter fahr darein, So flucht er bös dem Störenfried, Da dunkelte der Sonnenschein Und Schlaf die Drei ins Traumland zieht. Als sie erwachen, ist die Flur So fremd und auch der Brunnen weg, Und weil der Durst jetzt ärger nur, Hat drob zu grübeln wenig Zweck. Der Hirt macht sich nach Wasser auf Zur Stadt der Türme, die da gleißt. Was mag das sein? Die Antwort drauf Sagt ihm, daß sie Venedig heißt. Zur Straf für Fluch und Messerstich Sei nach Italien er verbannt, Daß er mit Kühn ins Weite schlich, Erzählt man sich im Heimatland. Doch sein acht Tage Straf genug, Drum mög er kehrn zu Schlafes Ruh, Denn in des Traumes Vogelzug Flög er recht rasch der Heimat zu. Dort wundert sich die Meierei, Doch die Geschichte leuchtet ein, Daß nimmer Mut zum Fluchen sei, Steht jetzt der Venezianerstein. |