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Aus »Babylon des Worts«. Gedichte 2007   Vers 18203 bis 18335

ZUR WEIHNACHT


I
Meinem Vater


Als das deutsche Heer geschlagen,
Nahm der Feind dir Heimatgau,
Mühsam hat das Los getragen
Einst der Treck im Morgengrau.

Wo man arm im Burgenlande
Haust und Barbarossa träumt,
Kam ein neues Heim zustande,
Ward der Schutt beiseit geräumt.

Haus und Hof gab dir die Höhe,
Wo die Herren von Arnshaugk
Einst getrutzet Sturm und Böe
Weiter als erkennt das Aug.

Deine Söhne wuchsen prächtig,
Doch kein Enkelsegen schreit
Froh im Haus, wo übernächtig
Ringt dein Erb im Wahn der Zeit.

Wie in Klöstern einst und Klausen
Wächst zu Spruch und Lied ein Geist,
Der ein Volk in Putz und Flausen
Heim in seine Tiefen weist.

Darum sollst du nicht verzagen,
Wenn das Blut nicht weiter trägt,
Es entwächst sich Erdentagen,
Wer die Runen reimt und wägt.

Ob Gedichte was bewegen?
Mancher hälts für Glitzertand,
Doch der Ruf nach Gottes Segen
Fehlt uns arg in diesem Land.

Was die Sprache gab dem Sohne,
Opfert er des Reichs Passion,
Und das Wort vom Gotteslohne
Wechselt mählich Sinn und Ton.


II
Meiner Mutter


Mutter, deine blonden Haare
Lehrten Stolz den Bubenmund,
Wie den Fraun der dreißger Jahre,
Lag der Anmut Kraft zugrund.

Eh er rechnen konnt und lesen,
Wußte er sich ausgewählt,
Denn ein gottgesandtes Wesen
Hat von Grimm die Märn erzählt.

Wie von Engelshand geleitet,
Schritt er durch die Menge hin,
Wo die Mutterhand gebreitet,
Wachsen Segen, Sohn und Sinn.

Nur das Übermaß an Liebe
Gab ihm Glauben, Wissen, Mut,
Wer die Macht verlacht und Hiebe,
Weiß, daß Mutter wacht und tut.

Reime, die sie einst gesungen,
Wurden Kraft und ein Orkan,
Daß vom Christentum durchdrungen,
Dichtung bannt den Teufelswahn.

Parodien von Heil und Gnade
Sanken, doch die Macht des Gelds
Macht die Dinge zur Fassade
Und versuchts mit Gottes Fels.

Zwar ein schlichtres Glück erbeten,
Haben Demut und Verstand,
Doch es taugt zu Exegeten
Nicht, wer spürt die Schöpferhand.

Also muß dein Sohn dem Bösen
Nachstelln mit dem Tintenfaß,
Denn der Herr wird uns erlösen,
Wenn entlarvt sind Neid und Haß.


III
Meinem Bruder


Ob sie ähnlich, ob verschieden,
Streitet mancher hie und da,
Was sie wählten, was sie mieden,
Stets derselbe Himmel sah.

Daß Geschwister meistens streiten,
Ist so alt wie nur die Welt,
Doch in frohn und schlimmen Zeiten
Bleibt das Los in eins gestellt.

Oft der Ältre sagt dem Jungen,
Daß er frei noch früh genug,
Was der Einsamkeit gelungen,
Scheint dem andern Selbstbetrug.

Ob sich Handwerk oder Schreibe
Feindlich sind wie Katz und Maus?
Jeder Mensch braucht seine Bleibe,
Aber groß ist Gottes Haus.

Wenn der Sturm am Dachstuhl rüttelt,
Und der Drache Feuer speit,
Wird der Staub vom Haupt geschüttelt,
Und die Brudereintracht weit.

Bruder sein kann eine Bürde
Sein, doch wird es ernst und arg,
Steht nichts, was man wählen würde,
Nah wie was die Mutter barg.

Was der Herr so gab und fügte,
Soll kein Teufel je berührn,
Wenn es manchmal nicht genügte,
War die Gnade doch zu spürn.

Also soll der Weihnachtsfrieden
Auch bedenken dieses Glück,
Wem ein Bruder ward beschieden,
Schaut vom Paradies ein Stück.


IV
Meiner Liebe


Spätling auf dem Weg zum Manne,
Grad noch recht, dem Feind zu drohn,
Träumt ein Herz im dunklen Tanne
Langer Reife Finderlohn.

Wie die Blüte harrt der Biene,
Wie der Pilger träumt das Ziel,
Daß ein Engel einst erschiene,
Wollt ein Wandrer viel zu viel.

Doch er sinkt nicht vor dem Quelle,
Denn die Hand, die Wasser reicht,
Wärmt mit Sonnenaufgangshelle,
Weil sie niemals wankt und weicht.

Wer die Liebe bei der Mutter
Reich erfuhr und dann entbehrt,
Den erkennt sie weich wie Butter
Und sie hegt, beschenkt und mehrt.

Nur von Pfleg und Müh umfriedet,
Kann der Kämpfer schaun und stehn,
Wenn das Blut im Streite siedet,
Muß die Sorg um Gnade flehn.

Zwiefach sind des Herrn Gebote,
Hart und weich das Münzmetall,
Und im Blauen wohnt der Rote
Milan, der umkreist das All.

Einsam schaut man im Gerichte,
Was zu leicht gewogen sei,
Doch im liebsten Angesichte
Wird der Mensch von Schulden frei.

Denn nur dieses Unverhoffte,
Das bejaht vor aller Welt,
Hebt, was die Geburt verstoffte,
Engelgleich ins Himmelszelt.