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Aus »Deutsche Passion«. Gedichte 2006   Vers 15587 bis 15659

LIPPOLDSBERG


Dem Andenken Hans Grimms

Stiller Hof und Wandelgänge,
Dichtertag im Klosterhaus,
Zeiten einst mit Volksgedränge,
Dann blies wer die Lichter aus,
Lied und Spruch in Wechselwinden,
Wer verrät, was kommt, was geht? –
Was die Alten nicht mehr finden
In der Jugend neu ersteht.

Weit bist du umhergekommen,
Deutscher Schmach wie keiner kund,
Was dir jemals schien zu frommen,
Ward zerstört bis auf den Grund.
Schlimmer noch: verfälscht, verfemt
Wurden Botschaft, Sinn und Ziel,
Wer zur Kenntnis sich bequemt,
Lästert über Ernst und Stil.

Dichterwort, das nicht mehr einigt,
Ohne Volk steht dieser Raum,
Was die Einsamkeiten peinigt,
Rührt die meisten Menschen kaum,
Manche Zeit verehrt Poeten,
Manche schüttelt bloß den Kopf,
Mancher wirft Apologeten
Und Kritik in einen Topf.

Da die deutschen Banner sanken,
Und der Feind ergriff die Macht,
Schienen frei dir die Gedanken,
Da der Genius eint und wacht.
Tiefer wolltest du ergründen,
Daß wir fielen weit und tief,
Nach dem Weg aus Schuld und Sünden
Dein Gebet den Schöpfer rief.

Aber Gott wird nicht als Rater
Tätig, denn er rät seit je,
So ward Lippoldsberg der Kater
Nach dem Rausch, aus Gram und Weh
Blühte nicht die blaue Blume,
Die die Jugend lockt und treibt,
Fruchtlos blieb die Ackerkrume,
Drein der Dichter wirkt und schreibt.

Ward der Geist zur Todesfalle,
Da das Leben nicht mehr stört?
Ewig gestrig sind wir alle,
Eh die Zukunft uns gehört.
Jüngren blieb es vorbehalten,
Wenn dein Kreis Legende ward,
Spruch und Weiser zu gestalten
Für die ewig deutsche Fahrt.

Zwar der Geist kann nicht veralten,
Doch der Samen fordert Ruh,
Da die Keime sich entfalten,
Schlug das Tor des Klosters zu.
Doch die Sprache sonder Hege
Reift zu Runenspruch und Chor,
Wo die Malve blüht am Wege,
Pocht ein junges Heer ans Tor.

Längst hat Gott dich abberufen,
Fern dem Leiden und der Tat
Schaust du von den Tempelstufen,
Wer in deine Spuren trat.
Waffen trägt man in die Zellen,
Wehr schmückt Mauer, Erker, Dach,
In Gesichtern, jugendhellen,
Wird das Horn der Freiheit wach.

Und das Dichterwort beflügelt,
Scharen, froh des Morgentaus,
Kein Gesetz den Aufbruch zügelt,
Als die Strenge dieses Baus,
Lieder, die das Leben tragen,
Schmerzen in des Feindes Ohr,
Und es dämmert seinen Tagen,
Daß die Herrschaft er verlor.