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Aus »Deutsche Passion«. Gedichte 2006 Vers 15155 bis 15282 CASTEL DEL MONTE Der Lieblingsort des, der Erstaunen Der Welt von der Mitwelt genannt, Erhebt sich mit weißen und braunen Kalksteinen im fruchtbarsten Land, Von ruhlosen Völkern durchzogen Von Seeraub geplündert und wund, Wo Herrschaft die rollenden Wogen Bekrönen und schlingen im Sund. Im Bann der apulischen Feste Erhebt sich der Geist zum Triumph, Und sind auch die Türme nur Reste, Wahrt Macht und Geheimnis der Stumpf, Das Labyrinth, das gewaltig Den schlägt, der nicht Größe und Plan Begreift oder flügelgestaltig Weiß schwebend aus Wolken zu nahn. Im Maß der ägyptischen Ellen Wird Sternkunde Mauer und Stein, In achtfachen Gleichklängen stellen Die Türme den Innenhof ein, Das Gangsystem, vielfach verschlungen, Hat, eh du gelangst an dein Ziel, Oft Orient und Hellas besungen Im pythagoräischen Spiel. Das Eingangsportal, das von Osten Dich einlädt so rot wie der Bart, Romanische Löwen als Posten Um Flachgiebel griechisch gepaart, Das Rechteck und farbige Weiser Gemahnen dich an den Islam, Und achtstrahlig gibt sich der Kaiser, Der siegte, noch ehe er kam. Hier mischen sich alle Symbole In Einheit, wo Kreis und Quadrat Versöhnt sind wie Wölbung und Hohle, Wie Melancholia und Tat, Hier sammelt das Oktagonale Die Ritter und Barden zum Trank, Wer einfand sich jemals im Saale, Spricht groß und geheimnisvoll dank. Das Schloß als der Reim der Gestirne Im Glast des Imperiums ergleißt, Die Fronenden, Bube und Dirne, Begreifen, was Kaisertum heißt, Die Aachener Krönungskapelle, Ihr Leuchter, und achtfach gezackt, Die Krone in strahlender Helle, Mit Wappen der Stämme beflaggt. Der Hochlage nahst du von unten, Der Gnade gewahr, das des Herrn, Der solch eine Würde gefunden, Wir Kinder wie Sonne und Stern, Wer Mann ist, sinnt hier nur auf Treue, Begreift sie als Ehre und Lust, Daß ewig der Glanz sich erneue, Sei Samen, sei Reife und Blust. Die Türme, wo steinerne Stiegen Sich winden zum Kreuzrippendach, Ein Kopf weiß die Wölbung zu wiegen, Ein Antlitz versteinert im Fach, Es sind die gefallenen Ritter, Normannische Scharn, die das Land, Einst eisern wie Turmspitz und Gitter Zu Größe und Reichtum erkannt. Gesetze von Stütze und Schwere Der gotische Meister umging, Im filigransten Verkehre Die Masse der Strebpfeiler fing, Weil jedes der Bauelemente Schon Teile des Kuppelbaus hebt, Sind leicht auch die äußeren Stände Drein Lichtflut die Vielfalt belebt. Das Maßwerk mit Glasmalereien Bringt Blust in den steinernen Wald Die Kreuzblume, Blauaug des Freien, Vervielfältigt Maß und Gestalt, Und rot in der Krönungsrosette Auf Ranken der Alchymist flammt, Weiß Psyche im Schmetterlingsbette, Wie Georg den Drachen zerschrammt. Der Kosmos im Großen und Kleinen, Schildwappen und Allegorie, Im Werk alle Werke zu einen Samt dunklerer Zeit Häresie, Ein Christentum, das nicht verlästert, Den heidnischen Urgrund des Lichts, Ein Kreuzgang, von Sonnen umquestert, Abhold einer Mystik des Nichts. Magie ist das Denken der Fürsten Zur Stunde, da alles sich mählt, Das Gold, danach Schwertkämpfer dürsten, Mit Silber, von Frauen erzählt, Wo Feste und leuchtende Scheiben Verschlungen wie Liebe im Akt, Darf pflanzlich der Geist sich verschreiben Und wandeln im schirmenden Trakt. Daß solches erreicht und geworden, Der Mensch, der den Himmel sich greift, Sei Muster für jeglichen Orden, Drin Mut noch und Männlichkeit reift, Sei Ansporn, sich niemals zu beugen Blasphemischer Dumpfheit, die taub Den Ruhm und die steinernen Zeugen Läßt Winden und Wettern zum Raub. Der herrschende Geist von Reptilen, Der alles verkleinert und teilt, Weiß nicht, daß in gottfrohen Zielen Das Wundmal der Schöpfung verheilt, Er kennt nur geringes, das allen Verständig, hat göttliche Macht Um Heimat, um Stolz und Vasallen, Die Toten um Ehre gebracht. Nur kurz kann der Mut, Kathedralen Zu baun, die Verfallszeit erhelln, Und Träume, versteinert zu Malen Ins geistlose Spielzeugland stelln, Als Krieg, der Europa verheerte, Nicht faßt der Gefallenen Zahl, Der Deutsche den Stauferbau ehrte Als Muster zum Tannenwald-Mal. Zwar ist diese Wiedererweckung Seit langem gesprengt und geschleift, Doch kam hier ein Geist aus der Deckung, Der Taten als Willen begreift, Und der uns beflügelt zu hoffen Auf den, der Erstaunen der Welt, Du weißt, die Geschichte ist offen Solange sie Gott uns erhält. |