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Aus »Deutsche Passion«. Gedichte 2006   Vers 14617 bis 14680

BLUMENWEG


In Sagen, die das Volk erzählt,
Stehn Schätze, die erschöpfst du nie,
Wird wer zum Finderglück erwählt,
Gehts grad wie in der Lotterie,
Mal wird ein kruder Dienst verlangt,
Oft Zuschaun nur, wie jemand tollt,
Wertloses Zeug man dann erlangt,
Und über Nacht wird dies zu Gold.

Die Sporne, allerwege wild
Ins Land gereckt, oft neckisch kraß,
Verkörpern uns kein Armutsbild,
Schon ehr ein berstend volles Faß,
Was sich mit harten Steinen deckt,
Mit Zacken, Schrunden, Salz und Rost,
Bestimmt sich guten Schutz bezweckt,
Daß niemand schlürf den süßen Most.

Wohl ruft uns mancher Eingang her,
Doch meistens bloß in Nacht und Tod,
Der Reichtum wäre nicht so schwer,
Wenn sich der rechte Eingang bot,
Doch scheints, daß ihn das Aug erspäh,
In tausend Jahrn macht eine Stund,
Wer dies erfährt, allein und jäh,
Nicht wiederholt den guten Fund.

Doch manchmal ists nicht bloß der Tag,
Der öffnet Aug und Berg zugleich,
Mitunter spricht das Volksgesag
Von einem Schlüssel in das Reich.
Manchmal ist dies ein Flötenlied,
Doch öfter eine schlichte Blum,
Der Blumenweg führt ins Gebiet,
Wo ein geheimes Königtum.

Von vielen Bergen wirds bemüht,
Mal ist die Blume blau, mal sagt
Man nicht, wie diese Pflanze blüht,
Doch oft wird der Verlust beklagt.
Der Blumenfromme, der die Nacht
Sieht voller Gold und Edelstein,
Vergißt, daß sie den Weg gemacht,
Geblendet von dem Glitzerschein.

Das Wort: Vergiß das Beste nicht,
Meint meistens nicht die Seligkeit,
Es geht allein ums Höhlenlicht,
Das eine zarte Blüte leiht,
Mir scheint darin der Weisheit Reim,
Nicht im Metall ist dein Zuhaus,
Was blüht, führt fort und wieder heim,
Und haucht dabei den Himmel aus.

Novalis, der im Berg vom Fach,
Und der die Sagen wohl bedacht,
Sang, daß die blaue Blume lach,
Sei alle Poesie gemacht,
Die Führerin erfand er nicht,
Sie ward im Volk schon oft beschworn,
Doch seine Zeit hat dies Gesicht,
Wie unsre auch im Herz verlorn.

Drum auch in Barbarossas Reich,
Fährst nicht mit Stößel oder Beil,
Das Harte zwingt was selber weich,
Drum nicht zum Rabenmorde eil,
Such lieber zwischen Feld und Rain
Die blaue Blume, die dich führt,
Dann wird im Kyff der Träger sein,
Und unserm Volk, was ihm gebührt.