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Aus »Fliederblüten«. Gedichte 1981 Vers 419 bis 468 WEIDENGESANG Du, auf den dunkelnden Wassern, Bist du mir gütig gesonnen? Des Abends Verwandlung wird kommen. Sonne, uralter, versinkst du, Willst du nicht sehn, ob ich schlafe? Der Abend deckt Wölfe und Schafe. Weide, geschmeidige, weiche, Wirst du mir beistehen, wenn ich Den Abend allein nicht erreiche? Nur wo die blinden Farben Die Farbenschwere fliehn, Solln unsre gleichen Narben Noch einmal weiterziehn. Denn eine Frau, verschleiert, Sie trägt den Mond allein, Die Nacht, dahin sie feiert, Muß unermeßlich sein. Wo Schweigen, angesammelt, An ihren Fingern klebt, Ein Lied, im Wahn gestammelt, Den Weidenbaum umschwebt. O du Weide, verhaltenes Wiegen Der vergangenen Lichter, sag, schlüge Deinen Wurzeln das Winterglas Wunden Ohne Anwort im Echo der Nächte? Sind die hauchdünnen Zeichen, die Silben, Was verquollenen Schlünden entronnen, Auf dem Schrei viele Wasser, wo keinem Je gereicht ward das Letzte, nur einmal, Wo ich eintauch ins Alles-Begehren. Wo das Scherbenblut, kupfernes, schillert, Auch die Schatten am Ufer zerbrechen, Und ein Wetterbaum wuchert in Himmel, Wenn das Ganz-Haben-Wollen umhergeht, Daß die Nacht, die gestürzte, sich zwinge Durch verknotete Zweige, die zittern. Weites Gäst im Schimmer Sternheller Nacht, Selbst sich betörend, versucht es mich immer Sacht. Keiner der Lieben verstünde Antwort zu geben dem werbenden Baum, Trauer und Traum Sind seine Gründe. Er übergibt sich den Zweigen, Reifend Zwischen noch dunkleren Gästen. Keiner bewacht ihn begreifend, Unter den Ästen Wanderer, hast du zu schweigen. |