voriges Gedicht nächstes Gedicht

Aus »Idäisches Licht. Erstes Buch«. Gedichte 2006, Vers 11690 bis 11721

ANDROGEOS


Lichtgestalt, flammend aus Zeiten, die kaum überliefert,
Dorische Säule im Himmel, von Blitzen durchzackt,
Ader im Mahlstrom der Gaia, in Schichten geschiefert,
Erbe und Traum-Solitär, unbezwinglich und nackt.

Sieg und Triumph bei den Spielen der Panathenäen
Leiten dich, von pallantidischer Garde beflankt,
Aber am Himmel, wo Kraniche kreisen und Krähen,
Zeigt sich das Zeichen, daraus die Legende uns rankt.

Denn was den Dichter zum ewigen Hymnus begeistert,
Ist nur die Schönheit, die dumpfester Niedertracht fällt,
Wo sich vor Abscheu die Sonne verdunkelte, meistert
Er das idäische Licht und errettet die Welt.

Neid schafft die Sage, und Dauer hat nur das verwehrte
Glück, das dem Norden im grausamen Bilde verwandt
Siegfrieds, des golden gelockten, als arg ihn durchspeerte
Laune des Lindenblatts, fallend aus göttlicher Hand.

Minos, der glückliche, muß seinen Sohn überlassen
Samt-schwarzem Mantel, der über die Lanze sich legt,
Hinter Zypressen verliert sich im Lethelicht-nassen
Nebel die Sorge und was wir an Hoffnung gehegt.

Frevel schafft Frevel, und Sühne erweist sich als Makel
Jüngerer, denen das Licht ist und damit das Recht,
Weil es Vergeltung nicht gibt, kann des Gottes Orakel
Ausführen erst ein von Kriegen enterbtes Geschlecht.

Aber ein Name, melodisch, zu Versen Verführer,
Lockt uns noch immer zu Harfen und Waffen der Lust,
Von den Phöniziern bis hin zu den Strömen der Syrer
Machen uns Steine die Tiefe des Traumes bewußt.

Flutwellen tilgen, was eben die Ebbe gestaltet,
Reiche verblassen und rufen die späteren her,
Unter dem Himmel, den niemand verjüngt und veraltet,
Gibt es nur Licht und gelegentlich Säulen am Meer.